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August 2011
08.08.2011 Internetermittlungen
     
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In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Chip (2) beschäftigt sich Felix Knoke mit der Frage, welche Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei in sozialen Netzwerken und namentlich bei Facebook zustehen. Knoke ist ein ständiger Besucher des Cyberfahnders (3) und ist bei seinen Recherchen auf die Präsentation über die Ermittlungen im Internet (4) gestoßen. Ende Juni stand ich ihm Rede und Antwort. Dabei heraus gekommen sind das Schaubild links und einige Zitate:

„Polizisten dürfen unter bestimmten Umständen Tarnidentitäten im Netz annehmen und über ihre Identität lügen“, so „Cyberfahnder“ Dieter Kochheim, Experte für Computerkriminalität sowie Staatsanwalt in Hannover (cyberfahnder.de). „Jeder Verdacht auf eine Straftat rechtfertigt die Einrichtung von Fake-Accounts und die Kommunikation mit anderen Beteiligten, auch wenn es dadurch zu einer gewissen Vertrautheit kommt.“

Für Stichproben und kurze Eingriffe genügt bereits die Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Anmeldungen in Foren oder geschlossenen Usergruppen wertet das Bundesverfassungsgericht als oberflächlich, „denn niemand kann im Internet davon ausgehen, nicht belogen zu werden oder sich über die Identität des Partners sicher zu sein“, erläutert Kochheim.

Knoke hält sich mit eigenen Meinungsäußerungen zurück und lässt meine Aussagen und die anderer Befragter nebeneinander stehen. Auf die Frage, darf sich ein Steuerfahnder zu „Recherchezwecken“ mit mir anfreunden?, antwortet zum Beispiel der Rechtsanwalt Christian Solmecke: Eher nicht. Damit würde die Behörde ihr Vertrauen ausnutzen, um an Daten zu gelangen, die sie ansonsten nicht erhalten würde. Das wäre ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Darin zeigt sich das Problem bei der Verallgemeinerung juristisch filigraner Fragen. Solmecke hat Recht damit, dass das BVerfG als Grenze zeichnet, wenn die staatliche
Stelle bei der Kommunikation ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen in die Identität und die Motivation des Kommunikationspartners ausnutzt, um persönliche Daten zu erheben, die sie ansonsten nicht erhalten würde (5). Unterhalb dieser Schwelle betrachtet das BVerfG die legendierte Kommunikation hingegen als zulässig (6).

Auch die Aussagen in der zitierten Tabelle < links> bedurften einiger wechselseitiger E-Mails, bis wir beide mit ihnen einverstanden waren.

Die Aussagen in der Präsentation (4) sind noch sehr plakativ. Sie dienten einem Vortrag und können deshalb keine feinen Verwurzelungen und Argumentationslinien nachzeichnen. Das habe ich mit dem Arbeitspapier über die Ermittlungen im Internet nachgeholt, das die ganze Breite der verschiedenen - auch verbotenen - Methoden aufzeigt:

Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet, 27.07.2011.

Dem Aufsatz geht es darum, die Möglichkeiten und Grenzen aufzuzeigen, um einer allgemeinen Verunsicherung bei Staatsanwälten und Polizisten entgegen zu wirken (7). Dazu muss auch gesagt, was nicht erlaubt ist < Tabelle: Ermittlungsmaßnahmen im Überblick>.

In den knapp zwei Wochen seit seiner Veröffentlichung ist der Aufsatz 172 Mal abgerufen worden. Die Reaktionen sind bislang sparsam. Eine Ausnahme bildet Felix Knoke, der am 02.08.2011 schrieb: Die Stellungnahme hab ich natürlich längst verschlungen!
 

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(1) Bei der Gelegenheit: "Co." leitet sich ab von dem lateinischen "consors" für "Genossen, Teilnehmer, Gesellschafter, Gleichgesinnte". In der kaufmännischen Sprache auch "Konsorten", was keinen so guten Klang hat.

(2) Ankündigung Chip 9/2011

(3) Felix Knoke, Was will LulzSec? orf.at 16.06.2011: Der von mir sehr geschätzte "Cyberfahnder" Dieter Kochheim hat sich des Themas angenommen ... ( LulzSec)

(4) Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet, 12.05.2011

(5) BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 595/07, Rn 310

(6) Ebenda, (5), Rn 311.

(7) Verdeckte Ermittlungen im Internet, 27.07.2011; siehe auch: Cyberfahnder-Newsletter 7 vom 28.07.2011: Boards und Internetermittlungen.
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018