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Dezember 2011
30.12.2011 Geständnis
     
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Ich habe Strafe verdient und bitte um eine gehörige solche (Curt Goetz)

Anfang der 90er Jahre wurde kontrovers über die Reichweite eines Geständnisses diskutiert und besonders darüber, ob ein Betroffener objektive Messwerte "gestehen" kann, die er nicht selber erhoben hat; zum Beispiel eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr in einer bestimmten Höhe.1993 meinte der BGH, dass das in gewissen Grenzen geht. Beim Geständnis geht es nicht darum, mit naturwissenschaftlicher Präzision alle Unwägbarkeiten kommastellengenau zu klären, sondern nur Ungereimtheiten und solche Begebenheiten, die mit der Lebenserfahrung oder den Naturgesetzen nicht oder kaum in Einklang zu bringen sind. Seine Argumentation ist bemerkenswert, immer noch lesbar und wert, in Erinnerung behalten zu werden.

BGH, Beschluss vom 19.08.1993 - 4 StR 627/92


Nach § 261 StPO entscheidet der Tatrichter, soweit nicht wissenschaftliche Erkenntnisse, Gesetze der Logik und Erfahrungssätze entgegenstehen, nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. ... Dagegen ist der Tatrichter weder verpflichtet, in den Urteilsgründen alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen (...), noch hat er stets darzulegen, auf welchem Wege und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel er seine Überzeugung gewonnen hat (...). <Rn 15>

Tatsachen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit von Beweismitteln erwecken, sind in den Urteilsgründen nur zu erwähnen und zu würdigen, wenn sie im konkreten Fall Einfluss auf die Überzeugungsbildung gewinnen können ... <Rn 16>

Folgt der Richter dem Gutachten eines Sachverständigen, hat er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Der Sachverständige hat als Gehilfe des Richters die zur Beurteilung der Rechtsfragen notwendigen Tatsachen und wissenschaftlichen Erkenntnisse beizusteuern ... <Rn 17>

Die Ausführungen des Urteils sind jedoch nicht Selbstzweck (...). In welchem Umfang sie geboten sind, richtet sich nach der jeweiligen Beweislage, nicht zuletzt auch nach der Bedeutung, die der Beweisfrage unter Berücksichtigung des Tatvorwurfs und des Verteidigungsvorbringens für die Wahrheitsfindung zukommt (...). Nichts anderes ist anzunehmen, wenn die Überzeugung des Tatrichters auf Meßergebnissen beruht, die mit anerkannten Geräten in einem weithin standardisierten und tagtäglich praktizierten Verfahren gewonnen werden (...). Zwar dürfen die Gerichte vor möglichen Gerätemängeln, Bedienungsfehlern und systemimmanenten Meßungenauigkeiten nicht die Augen verschließen. Die Anforderungen, die deshalb von Rechts wegen an Meßgeräte und -methoden gestellt werden müssen ... dürfen jedoch nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. <Rn 18>

... Es entspricht deshalb allgemein anerkannter Praxis, dass auch im Bereich technischer Messungen Fehlerquellen nur zu erörtern sind, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt. ... Dem Verteidiger ist es unbenommen, durch entsprechende Anträge auf eine weitere Aufklärung zu dringen ... <Rn 19>

Soweit es sich um allgemein anerkannte und häufig angewandte Untersuchungsverfahren handelt, ist der Tatrichter nicht verpflichtet, Erörterungen über deren Zuverlässigkeit anzustellen oder die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen des Gutachtens im Urteil mitzuteilen ... <Rn 21>

Das Bußgeldverfahren dient nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung (...). Es ist schon im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet (...). Die Beschränkung des Rechtsbeschwerdeverfahrens verfolgt den Zweck, den Zugang zu den der Vereinheitlichung der Rechtsprechung dienenden Obergerichten nicht durch eine Fülle von massenhaft vorkommenden Bagatellsachen zu verstopfen und sie so für ihre eigentliche Aufgabe funktionsuntüchtig zu machen (...). Daraus ergibt sich, daß auch an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind ... <Rn 22>

Der Anspruch des Betroffenen, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Meßdaten verurteilt zu werden, bleibt auch dann gewahrt, wenn ihm die Möglichkeit eröffnet ist, den Tatrichter im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. ... <Rn 23>

Ob eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, kann grundsätzlich nicht davon abhängen, welcher Gerätetyp zur Anwendung gekommen ist und ob dessen Betriebsvorschriften befolgt worden sind. Umstände, die abweichend vom Regelfall dem Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Messungen entgegenstehen, die aber in den Feststellungen keinen Niederschlag gefunden haben, können deshalb nicht im Wege der allgemeinen Sachrüge, sondern nur mit einer entsprechenden Verfahrensrüge gerichtlicher Kontrolle zugänglich gemacht werden. ... <Rn 27>

Die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert bilden somit die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung. Gesteht der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft ein, die vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein, so bedarf es nicht einmal der Angabe des Meßverfahrens und der Toleranzwerte ... <Rn 30>

Ein zulässiges Geständnis sei deshalb nicht "schlechterdings" ausgeschlossen.
Zugestanden werden nicht die Umstände des Messvorgangs oder die Richtigkeit der vom Gerät angezeigten Geschwindigkeit, vielmehr räumt der Betroffene lediglich in dem Wissen um sein eigenes Fahrverhalten ein, eine bestimmte Geschwindigkeit gefahren zu sein. <Rn 34>
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018